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IK-Aktuelles

„Die Branche beweist ihre Innovationskraft Tag für Tag, jetzt ist die Politik gefragt.“

By 13. November 2025No Comments
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Die aktuelle wirtschaftliche Lage stellt auch die Kunststoffindustrie vor Herausforderungen. Doch im Gespräch mit IK-Präsident Georg Pescher wird deutlich: Die CO-Reduktion ist das Thema der Zukunft – und die Kunststoffindustrie kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie zeigt, dass Innovation und Verantwortung bereits gelebte Realität sind. Doch noch sind die Weichen nicht gestellt. Wir sprechen mit Georg Pescher über eine hochrelevante, zukunftsfähige Branche und darüber, was es braucht, um das volle Potenzial dieser Industrie ökonomisch und ökologisch nutzen zu können. 

 

Herr Pescher, welche Stärken machen die Kunststoffverpackungsindustrie, insbesondere in Deutschland, zu einem unverzichtbaren Bestandteil der modernen Wirtschaft?  

Eine unserer Stärken ist ganz klar, dass die Produktion und damit die Wertschöpfung genau in dem Markt stattfindet, in dem sie gebraucht wird. Eine weitere Stärke Europas und insbesondere Deutschlands ist das ausgeprägte Bewusstsein für Ökologie, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, auch im Markt. Auf dieser Basis lässt sich viel bewegen. Hinzu kommt die etablierte Industrie in Europa: In allen Bereichen der Kunststoffverarbeitung gibt es erfahrene Player. Auf diesem Fachwissen und dieser Wirtschaftskraft lässt sich sehr gut aufbauen. Die deutsche Industrie generiert bereits insgesamt ein Drittel des gesamten europäischen Umsatzes im Bereich Kunststoffverpackungen und -folien. Darüber hinaus haben wir eine leistungsfähige Hochschullandschaft sowie eine lebendige Innovations- und Start-up-Szene, die neue Ideen vorantreibt. Und nicht nur das: Wir besitzen zudem herausragende Kompetenzen im klassischen Maschinenbau, in der Sensortechnik und in der Prozessentwicklung. 

Das klingt grundsätzlich nach sehr guten Voraussetzungen. Wo hakt es? 

Entscheidend ist, dass dieses Potenzial auch gezielt gefördert wird. Technologieoffenheit und Innovationsfreude sind wichtig, wenn wir wirklich weiterkommen wollen. Unsere Branche besitzt beides, doch wir sehen immer wieder deutliche Fehlentwicklungen in der Politik. Und das nicht nur, weil fachliche Entscheidungen getroffen oder Überregulierungen verabschiedet werden, die wir nicht nachvollziehen können. Sondern auch, weil das Mindset in der Politik einfach nicht stimmt. Es gibt dort zwar ein klares Verständnis darüber, welche Verpackungen für welche Anwendungen am besten geeignet sind, sowohl in Bezug auf ihre Funktionalität als auch auf ihre ökologische Leistung. Leider erwächst aus diesem Wissen kein abgeleitetes handeln, denn Fakten, Zusammenhänge und vor allem der Blick in die Zukunft stehen im politischen Diskurs kaum im Fokus. Zukunftsorientiertes Handeln bedeutet nicht, nur bis zur nächsten Wahl zu denken, sondern über Jahre und Jahrzehnte hinaus. Und genau das fehlt derzeit. 

 

Was erwarten Sie konkret von der Politik, um Industrie und Wirtschaft in dieser Situation zu unterstützen? 

Die Politik muss endlich die Realität anerkennen und echte Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft entwickeln. Denn Probleme löst man nicht, indem man zum Beispiel in Randgebieten kleine Kompromisse findet. Es ist vollkommen klar, welche Herausforderungen bestehen und was man dagegen tun muss. Das erfordert Konsequenz und bedeutet, Wahrheiten aus- und Themen anzusprechen, auch die unangenehmen und schwierigen. Dafür braucht es in der Politik mehr Mut, mehr Disruption, mehr Faktenorientierung und mehr Lösungswillen. Aus Sicht der Kunststoffverpackungsindustrie braucht es vor allem endlich einen fairen Wettbewerb zwischen verschiedenen Verpackungsarten. Statt Überregulierungen zu Lasten eines bestimmten Materials benötigen wir echte Lösungen und die sinnvolle Förderung unserer Wirtschaft. Das gilt insbesondere für Industrie, mittelständische Produzenten und Handwerk, die durch ihre Produktion maßgeblich an der Wertschöpfung und damit am Wohlstandsniveau unseres Landes beteiligt sind. 

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Vor welchen Herausforderungen stehen Industrie und Handwerk in Deutschland, auch im Vergleich zu internationalen Wettbewerbern? 

Neben etlichen Vorteilen hat Deutschland als Industriestandort auch einige signifikante Nachteile, etwa die Arbeitskosten, steigende Energiepreise oder komplexe Regulierungen. Auch die zunehmende Internationalisierung der Märkte hat nicht nur Vorteile für uns: Während großvolumige Produkte eher in lokaler Produktion bleiben werden, weil die Transportkosten aus dem Ausland zu hoch sind, sinken die Frachtkosten am Gesamtkostenanteil bei leicht transportierbaren Produkten wie Folien oder Granulaten. Dies führt zu erhöhter Konkurrenz, die sich noch verschärft durch den Kostenanteil zur Erfüllung der vielfältigen Auflagen. Um hier gegenzusteuern, benötigt es eine Spiegelklausel die sicherstellt, dass importierte Produkte unter der gleichen Regelungen hergestellt werden die im Nutzungsland, sprich der EU, gelten. 

 

Dies gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Zudem sind neue Anlagen für die Polymerproduktion im Ausland oft größer, effizienter und kostengünstiger, mit entsprechend höheren Ausstoßmengen und geringeren Produktionskosten im Vergleich zu bestehenden europäischen Anlagen. Ungeachtet der Kosten wären diese aufgrund der oft höheren Standards in Sachen Nachhaltigkeit allerdings weiterhin die erstrebenswerteren Produktionsstätten. Zu erwähnen ist hier auch noch, dass viele Kunststoff Spezialtypen für anspruchsvolle Anwendungen nur in Europa produziert werden. 

 

Warum ist es so wichtig, die gesamte Kunststoffindustrie in Deutschland und Europa jetzt zu stärken? 

Die Investitionen in ganz Europa gehen vermehrt zurück. Das hat nachhaltige Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung. All dies bremst unsere Ziele und Potenziale aus, den Markt der Zukunft – die Kreislaufwirtschaft und eine alternative Ressourcenbasis – weiter zu erschließen. Das ist fatal, denn die CO2-Reduktion ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen und von höchster Priorität. Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft kann hier einen enormen Beitrag leisten. Die Kunststoffindustrie trägt entscheidend dazu bei, ihren Weg zu ebnen. Wir sollten alles daransetzen, die Kunststoffindustrie als Teil der Lösung langfristig zu erhalten und ihre wirtschaftliche Lage nicht durch Überregulierung und Benachteiligung zusätzlich zu verschlechtern. Unsere Innovationskraft beweisen wir Tag für Tag, aber auch die Politik ist jetzt gefragt. 

 

Durch welche konkreten Maßnahmen könnte man hier die richtigen Voraussetzungen schaffen? 

Entscheidend ist, dass CO-Reduktion belohnt wird, ob durch steuerliche Anreize oder durch ökologische Modulationsabgaben. Über das „Wie“ kann man streiten. Aber klar ist: CO-Reduktion ist das Thema der Zukunft. Was ihr dient, muss gefördert werden. Der Einsatz von Rezyklaten beispielsweise trägt ebenso wie Kunststoffverpackungen, die im Vergleich zu anderen Materialien oft klimafreundlicher sind, zur CO-Reduktion bei. Deshalb wäre eine Incentivierung des Rezyklateinsatzes sinnvoll, wie es Frankreich jetzt vorgemacht hat. Der Einsatz von Rezyklat wird je nachdem, woher es kommt, mit unterschiedlichen Vorteilen belegt. Das ist sinnvoll, wenn man Umwelttechnologien in Europa halten, die Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln und Arbeitsplätze in Europa sichern will. Am Ende geht es darum, dass wir uns als Wirtschaftsstandort – in Deutschland wie in Europa – halten und uns weiterentwickeln können. Das gelingt nur, wenn die Regeln, die im eigenen Markt gelten, auch für andere gelten und wenn wir Nachhaltigkeit grundsätzlich besserstellen.